Zuletzt hatten wir das Prinzip Zirkularität erläutert. Natürlich ist das auch eine Grundhaltung im Systemischen Arbeiten, dass die Elemente zirkulär, d.h. wechselseitig verknüpft sind. Dass bedeutet, dass ich z.B. im Coaching nicht nur meinen Coachee und seine persönlichen Möglichkeiten betrachte, sondern auch, was dieser Coachee in der Umgebung seiner Organisation, seines Unternehmens zu leisten in der Lage ist. D.h. die Umgebungsfaktoren werden mitberücksichtigt, zeitbedingte Strömungen, die sich laufend ändern können wie z.B. gesetzliche Bestimmungen, etc.
Im Prinzip ist die Landkarte, auf die wir im systemischen Arbeiten schauen, größer und bildet nicht nur z.B. das Straßennetz ab, sondern auch die landschaftlichen Gegebenheiten, Wetterbedingungen, geologischen Voraussetzungen, etc.
Zirkularität praktisch angewandt: Beispiel Führungskraft –Verhaltensänderung unter Beachtung der Umgebungsfaktoren
Im Coaching mit einer Führungskraft, die in einem technischen Projekt die Verantwortung hatte, kam es öfter vor, dass diese Führungskraft Mitarbeitern gegenüber laut geworden ist, die nicht so gehandelt haben, wie es aus ihrer Sicht nötig gewesen wäre. Unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsentwicklung hätte man bei diesem Mann auch sagen können, dass diese Ausbrüche einen Fortschritt darstellen, weil er zuvor eher zurückhaltend agiert hat und seinen Ärger eher in sich hineingefressen hat. Unter diesem Gesichtspunkt ist das deutliche Äußern von Ärger eine entlastende Veränderung für den Mann.
Bezieht man das berufliche Umfeld ein, wird deutlich, dass er mit seinen Ausbrüchen seine Mitarbeiter eher verwirrt hat: Aus Angst vor erneuten Ausbrüchen trauten sie sich nicht mehr, alleine etwas zu entwickeln. Hinzu kam, dass sie ihren Chef so nicht kannten und sein neues Verhalten nicht einordnen konnten. Um dieses Coaching auf die Umgebungsbedingungen anzupassen, war es nötig, dass die Führungskraft für den Ärger andere Ausdrucksformen entwickeln musste, die besser an das Umfeld angepasst waren und dann auch leichter angenommen werden konnten. Auch in der Unternehmenskultur war das so nicht vorgesehen, so dass auch seine Chefs die Nase gerümpft haben.
Wir haben es hier also mit zwei Umgebungsfaktoren zu tun:
Die betriebliche Kultur und die Erfahrungen der Mitarbeiter.
Die Veränderung in Persönlichkeit der Führungskraft sollte ja nicht wieder rückgängig werden, sondern musste eine andere Gestalt finden, um in der betrieblichen Umgebung akzeptiert werden zu können und produktiv wirksam zu sein.
Zirkuläres Fragen
Bekannt geworden ist das Prinzip Zirkularität durch die Technik „zirkuläres Fragen“. Zum zirkulären Fragen gehört es, in erster Linie Fragen zu stellen, die das Denken und Fühlen des Coachees anregen. Informations- und Reporterfragen sind in gewissem Umfang vielleicht nötig, um Informationen zu gewinnen, für den Prozess des Coachings aber unerheblich.
Typische Fragen in allgemeiner Form sind:
- Wer hat was wann gemacht mit welcher Wirkung auf wen?
- Wodurch ist genau diese Wirkung entstanden?
- Könnte dasselbe Verhalten in anderen Kontexten andere Wirkungen erzielen?
- Was muss genau getan werden, damit die oben beschriebene Wirkung entstehen kann?
- Gibt es Ausnahmen zu der oben beschriebenen Wirkung?
- Wodurch kommen diese Ausnahmen zustande?
- Woran würdest du erkennen, dass die oben beschriebene Wirkung unterbleibt?
- Wer hätte was dazu beigetragen oder beitragen müssen?
- Wer stört sich am meisten an der Wirkung? Wer am wenigsten?
- Wenn das störende Verhalten unterbliebe, was würde sich dann ändern?
- Wer hätte am meisten davon? Wer am wenigsten?
- Wer hätte am meisten davon, wenn das störende Verhalten bestehen bliebe?
- Wer sieht das eventuell genauso?
- Wie könnte die Störung vergrößert/verkleinert werden?
- Welche Wirkungen würden daraus entstehen?
Identifikation der Störungen
Diese und ähnlich Fragen beleuchten das Störende aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Störende wird so von den Betroffenen genauer fassbar. Erst wenn das gelungen ist, können eventuell Lösungen erarbeitet werden oder es stellt sich heraus, dass es am besten ist, alles so zu lassen.
Nur mit dem Unterschied, dass Störung gesehen wurden, minimiert oder verschwunden ist.
Diese und ähnliche Techniken und Haltungen lernen sie in der Ausbildung „Systemisches Coaching – Systemische Supervision“ des SynTraum-Instituts Augsburg.