Arbeit mit dem inneren Team und ROMPC

Ähnlich wie wir mit dem Makrokosmos einer Organisation arbeiten können, können wir auch mit dem Mikrokosmos der inneren Teile und ihres Verbunds, dem inneren Team arbeiten. Es handelt sich hier um verschiedene Ausprägungen des Ich, die entweder als unverbundene Teile nebeneinander existieren oder sich untereinander austauschen und wie ein Team zusammenwirken können. In beiden Fällen können wir sowohl mit Methoden der Systemischen Therapie und Beratung als auch mit Methoden des ROMPC vertiefend und integrierend wirken.

Methodische Hintergrundaspekte

Über die Arbeit zum inneren Team gibt es recht viele praktische Ansätze. Theoretisch ist darüber recht wenig reflektiert worden. Kommunikationstheoretisch wurde dieser Begriff lange Zeit von Friedemann Schulz von Thun besetzt. Er hat hierzu auf viele Vorläufer zurückgegriffen.

In früheren Zeiten und in allen Kulturen haben Menschen davon gesprochen, sie seien gesteuert von Dämonen, Göttern, Geistern, Zauberern und Hexen. Im Grunde sprachen sie über Erklärungsansätze von steuernden Elementen, die sie nach außen verlagert haben und die aus unserer heutigen Sicht in manchen Aspekten nur nach außen verlagerte innere Steuerungselemente darstellen.

Seit dem 19. Jahrhundert, spätestens seit den Theorien von Sigmund Freud, wurde versucht, solche inneren Steuerungselemente zu benennen und zu beschreiben. Bei Freud finden wir als innere Team-Mitglieder Instanzen des psychischen Apparats Ich – Es – Über-Ich, die quer liegen können zum bewussten, unbewussten und vorbewussten Denken.

Schon bald danach hat einer seiner bedeutendsten Schüler, C.G. Jung, die Archetypen als Steuerungsinstanzen hervorgehoben, die kulturell und überpersönlich wirken.

Eric Berne hat die von ihm formulierten Steuerungsinstanzen an das System von Freud angelehnt und das Modell von Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kindheits-Ich entwickelt. Diese unterschiedlichen Zustände des Ichs wiederum können noch unterschiedliche Funktionen erfüllen: So kann ein Eltern-Ich fürsorglich oder kritisch sein und ein Kindheits-Ich einerseits frei und spontan, andererseits reaktiv mit der Ausprägung von angepasst oder rebellisch. D.h. hier finden wir schon eine ganze Vielfalt von Elementen, die das Verhalten, das Denken, das Fühlen und Körpermuster beeinflussen können.

Daneben gab es eine parallele Entwicklung der sog. Ego-State-Therapy, die nicht in erster Linie von der Transaktionsanalyse beeinflusst war, aber auf ähnliche Weise unterschiedliche Ich-Zustände oder ego states differenzierte. Daraus ist letztlich die für viele von uns inzwischen so wertvolle Arbeit mit dem inneren Kind entstanden.

Basierend auf vielen der oben genannten Annahmen haben sich unterschiedliche Ansätze der Arbeit mit den inneren Anteilen entwickelt – insbesondere auch seit wir mehr über die sog. multiplen Persönlichkeiten wissen, wie sie entstanden sind und wie wir sie behandeln können. Da gibt es den inner-voice-dialogue, die Stuhlarbeit der Gestalt-Therapie, die Arbeit mit subpersonalities, und nicht zuletzt die von Virginia Satir entwickelte parts party.

Zuletzt hat Thomas Weil als Weiterentwicklung des transaktionsanalytischen Ansatzes ein Modell von Sub- und Nebenpersönlichkeiten für die Arbeit mit dem inneren Team vorgestellt und daraus spezifische Behandlungsrituale für unterschiedliche Teilpersönlichkeiten abgeleitet.

Defragmentierung der Persönlichkeit

Allen genannten Ansätzen gemeinsam ist, dass sie davon ausgehen, dass es so etwas wie Fragmentierungen der Persönlichkeit gibt, die sich in bestimmten Symptomen äußern. Zum Beispiel darin, dass Menschen berichten, sie fühlten sich wie von einer anderen Macht gesteuert. Die Arbeit an und mit diesen inneren Teilpersönlichkeiten zielt nun darauf ab, die Fragmentierung wieder rückgängig zu machen, also eine Defragmentierung herbeizuführen.

Wissenschaftstheoretische Überlegungen

Wie können wir diese Ansätze, die Eingang ins ROMPC gefunden haben, einordnen in das wissenschaftliche Denken? Welche Implikationen müssen wir dabei berücksichtigen? Welchen Stellenwert haben Aussagen über innere Prozesse im Lichte wissenschaftstheoretischer Überlegungen?

Wissenschaftstheoretisch werden neue Sichtweisen aus alten geboren, indem bereits Bekanntes neu zusammengestellt wird. Das ist auch erkenntnistheoretisch hoch interessant, dass wir, indem wir bisher Bekanntes auf einmal in einem neuen Licht sehen, im Lichte anderer und neuer Verknüpfungen (neurobiologische Neuverschaltungen) die Grundlage für neue Sichtweisen und (wissenschaftliche) Theorien legen. Ich bin wissenschaftstheoretisch insbesondere geprägt von Paul K. Feyerabend, einem kanadischen Physiker, der sich der kritischen Beschreibung und erkenntnistheoretischen Durchdringung des Wissenschaftsbetriebes gewidmet hat.

Paradigmenwechsel

Feyerabends Verdienst war es, eine deutliche Gegenstimme zu erheben gegen den Rationalismus von Popper und anderen, die einer deduktiv aufgebauten Wissenschaftstheorie folgten. Feyerabend stellt als eine seiner Kernthesen hin, dass von einem erkenntnistheoretischen wissenschaftskritischen Standpunkt aus betrachtet, die Quantenphysik und der Hexenglaube denselben Status haben, wenngleich sie – wissenschaftlich betrachtet – sehr unterschiedlich bewertet werden: In der Quantenphysik macht man unter anderem näherungsweise statistische Aussagen und diese Aussagen greifen auf rekursiv definierte Annahmen zurück. Das heißt: wir haben hier den Fall, dass die Voraussetzungen für unsere Annahmen nicht mehr auf Wahrheitsgehalt etc. hin geprüft werden. Wissenschaftslogisch betrachtet ist eine Aussage nur dann wahr, wenn die Annahme wahr ist. Diese Art wissenschaftlicher Wahrheit erfüllen beide, die Quantenphysik und der Hexenglaube, jedenfalls nicht. Infolgedessen stützen sich beide auf ungeprüfte Vorannahmen.

Ein einfaches Beispiel: ein Voltmeter misst Stromstärke. Dies kann es nur, weil es eine Theorie gibt, die festlegt, wie diese Stromstärke beschaffen ist. Und nur auf der Basis der Existenz dieser Theorie kann die Messung valide sein. Das heißt: wir messen das, was wir vorher als zu messend definiert haben und gehen davon aus, dies sei die Wahrheit. Ähnlich ist unser Erkenntnisprozess generell: Wenn wir zum Beispiel durch ein Elektronenmikroskop schauen, sehen wir normalerweise wenig bis nichts. Erst wenn uns jemand unterrichtet hat, was wir sehen sollen, auf was wir achten sollen, können wir etwas erkennen in den ansonsten chaotisch erscheinenden Sinnesreizen. Ähnlich konstruieren wir unsere Welt. Diese und weitere Ansichten wurden in dem Film What the Bleep do we Know veröffentlicht.

Wir machen unsere Regeln ständig selbst

Die unüberprüften Vorannahmen sind eigentlich kein Problem, weil wir alle mehr oder weniger damit leben und umgehen. Denn unser Gehirn ist so strukturiert, dass es nicht viel wissen muss, um etwas zu können. Es macht sich seine Regeln selbst und damit ein Stück weit seine eigene Welt. Das war auch schon zu Zeiten so, als noch das Ptolemäische Weltbild galt.

Ich hebe diesen Aspekt deswegen hervor, weil wir uns im ROMPC an genau so einem Punkt befinden: Es gibt eine Menge an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die unsere Vorgehensweisen und Sichtweisen belegen, gleichzeitig bleiben wir den letzten Wahrheitsbeweis schuldig – zum Beispiel den, das das tapping auf Meridian-Punkte das limbische System tatsächlich beeinflusst. Wir können es an der Wirkung erkennen bzw. diese als Hinweis auf einen hier verorteten Zusammenhang hernehmen. Das heißt: wir haben hier neue Verknüpfungen vorgenommen, die in dieser Weise vorher nicht existiert haben. Das ist ein Charakteristikum dessen, was Kuhn den Paradigmenwechsel nennt. Während in der Vergangenheit – ja sogar noch in den 70er Jahren – in Deutschland zum Bespiel von Lorenzer diskutiert wurde, dass der sog. Psychische Apparat von Freud keine Maschine sei, sondern ein extrapolierter psychischer Funktionszusammenhang, finden wir uns heute in einer Welt, in der die Erkenntnisse der Neurobiologie unsere Annahmen in neuem Lichte erscheinen lassen. Das heißt: es gibt tatsächlich physiologische Grundlagen und Voraussetzungen und Arbeitsweisen, die den psychischen Apparat auf eine biologische Grundlage stellen. Und wir bedienen uns dieser Erkenntnisse, nicht weil wir geprüft haben, ob sie wahr sind, das kann ich zumindest nicht, sondern weil sie für unsere Arbeit hilfreich und nützlich sind.

So begründet Feyerabend auch den Forschungsprozess und die Entwicklung neuer Theorien, indem wir Brauchbares neu zusammenstellen und so neue Verknüpfungen herstellen und unsere Welt ein Stück weit neu konstruieren, das heißt eine neue Landkarte entwickeln. Gerade so, wie unser Gehirn das auch mit Alltagsereignissen tut.

Konsequenzen

Dieses Neuland, das wir seit einigen Jahren mit einer faszinierenden Vorgehensweise betreten haben, ermöglicht es uns, jedwede Theorie herzunehmen als Basis für unser Handeln. Wie auch in der systemischen Herangehensweise, in der man die Elemente des Systems definieren kann: die Grenzen des Systems dadurch, dass man festlegt, welche Elemente dazu gehören und welche nicht, indem man so ein System konstruiert, das die Wirklichkeit ein Stück weit wiedergibt, wie eine Straßenkarte eine bestimmte Sichtweise von Landschaft wiedergibt.  

Der Nutzen unterschiedlicher Theorien

Systemtheoretisch kann ich also für das, wie Menschen innerlich funktionieren, die Theorie der Ich-Zustände der Transaktionsanalyse ebenso zugrunde legen wie die psychoanalytische Theorie der Ich-Kerne. Oder ich kann zurückgreifen auf die Theorie der Ego-State-Therapy bzw. auf Virginia Satir und ihre Annahmen, die sie ihrer parts party zugrunde legt. Jede dieser wunderbaren Theorien und Sichtweisen kann ich, wenn ich deren Elemente extrahiere, für Erkenntnisse des inneren Systems nutzen: So kann ich eine Skulptur stellen, indem ich die Ich-Zustände der Transaktionsanalyse als Elemente nutze. Und ich habe einen Erkenntnisgewinn über das Funktionieren des inneren Systems unter diesem Aspekt. Ein ähnliches Ergebnis kann ich mit dem Muskeltest erzielen. Es geht nicht darum, dass die einzelnen Elemente, die ich teste, absolute Wahrheit haben, es ist nur wichtig, dass sie sich einigermaßen konsistent aufeinander beziehen – das heißt: Sinn machen. Lege ich also auch hier die Ich-Zustände der Transaktionsanalyse zugrunde, kann ich testen, welcher der Ich-Zustände in besonderer Bedrängnis ist, Unterstützung braucht oder mehr Spielraum im inneren Funktionieren des Systems. Dies gilt auch dann, wenn die Vorannahmen, also die Existenz von Ich-Zuständen, symbolischen und nicht etwa universellen Wahrheitswert haben. Denn vieles von unserer Welt begreifen wir in erster Linie symbolisch.

Wir können auch die von Thomas Weil in seinem Buch Endlich frei von Stress. Innere Blockaden lösen mit ROMPC® vorgestellte Arbeit mit Sub- und Nebenpersönlichkeiten und den verschiedenen Life-States für die Arbeit mit dem inneren Team zugrunde legen. Oder wir können uns frei bewegen, um Elemente unseres inneren Star-Ensembles und unseres Schatten-Kabinetts (Schulz von Thun) herauszuarbeiten und mit Methoden des ROMPC zu behandeln. Hier sind nicht nur die blinden Passagiere und deren Integration in oder der Ausschluss aus dem Gesamtsystem gemeint, sondern alle irgendwie zusammen oder gegeneinander arbeitenden Teile, die wir als Elemente des inneren Vorgangs ausmachen. Sie alle können Gegenstand der Arbeit mit dem inneren Team in diesem Sinne sein.

Fragmentieren und Defragmentieren von Persönlichkeitsanteilen

Der Trick, den ich hierbei durchführe, ist der folgende: Während viele dieser obigen Annahmen entwickelt wurden, um fragmentierte Persönlichkeiten zu defragmentieren, können wir auch umgekehrt künstlich und vorübergehend eine Fragmentierung vornehmen und die so fragmentierten inneren Anteile isoliert behandeln, um sie dann wieder in das Gesamt-Ensemble einzufügen, am besten leicht verändert.

Für meine Arbeit mit dem inneren Team stütze ich mich auf diese Vorannahmen.


Arbeit mit dem inneren Team und ROMPC
Markiert in:             

Ein Gedanke zu „Arbeit mit dem inneren Team und ROMPC

Kommentare sind geschlossen.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner