Familientherapie – systemische Therapie

Geschichte der Familientherapie

Seit den 60er Jahren hat sich systematisch die Familientherapie entwickelt hin zu einer systemischen Therapie. Im engeren Sinne sind mit diesem Begriff Interventionen gemeint, die nicht nur das Individuum sehen, sondern auch seine Einbettung in vielfältige soziale Bezüge. So dass auch in einer Einzeltherapie z.B. familientherapeutisch bzw. systemisch interveniert werden kann. In den 60er Jahren wurden allmählich die Grenzen der nur auf das Individuum ausgerichteten Psychotherapie erkannt. Bis dahin galt eine psychische Störung schnell als individuell verschuldet oder durch das individuelle Versagen von Vater oder Mutter oder beiden hervorgerufen. Damals kam die familiäre Häufung bestimmter Störungen mehr in den Blick und der Zweifel daran, dass das genetisch bedingt sein könnte. Die Palo-Alto-Gruppe um Gregory Bateson und Paul Watzlawick erforschte die kommunikativen Bedingungen psychotischer Störungen in Familien. Mit diesem Ansatz in der Therapie wurden dann auch überraschende Erfolge erzielt, die weitere Forschungen in dieser Richtung ermutigten.

Multikausalität und vernetztes Denken

Inzwischen ist die Familien- oder systemische Therapie etabliert. Wesentliche Elemente sind das vernetzte Denken, d.h. dass mit einfachen Kausalitäten soziale und psychische Prozesse nicht erklärbar sind, sondern aus einer Vielzahl von Variablen gefüttert werden, die ein ganzes Netzwerk von Kausalitäten enthalten. Dieses vernetzte Denken entspricht weitgehend den Erkenntnissen, die wir über die Vorgänge in unserem Gehirn haben, wo Netzwerke miteinander in Kommunikation treten und sich gegenseitig beeinflussen. (s.a. Neurobiologie)

Aus der Familien- und systemischen Therapie hat sich im Laufe der Entwicklung der erkenntnistheoretische Konstruktivismus heraus entwickelt. Das heißt, dass wir die Welt, in der wir uns bewegen, und die entsprechenden Wahrheiten uns selber konstruieren. In diesem Sinne gibt es keine von allen geteilte Welt, sondern verschiedene Welten, die miteinander in Kommunikation treten. Streng genommen ist es denn auch ein Wunder, dass wir uns überhaupt gegenseitig verstehen. Das bedeutet einen Abschied von einem absoluten Wahrheitsbegriff und Hinwendung zu einem konsensualistischen, wie Habermas das formuliert hat. Diese Erkenntnisse haben sich gebildet dadurch, dass in der Arbeit mit Familien deutlich wurde, dass eine jede ihr eigenes Universum von Bedeutungen und Wahrheiten aufgebaut hat und dass die Aufgabe des Familientherapeuten zum großen Teil darin bestand, dieses Universum zu verstehen, um auf der Basis dieses Verständnisses zu intervenieren. Das von den Familien als wahr Geglaubte war häufig wie ein Axiom in mathematischen Operationen, d.h. um diese Operationen ausführen zu können, durften die Axiome nicht in Frage gestellt werden.

Veränderung der Perspektive durch die Betroffenen

Unter anderem deshalb war und ist die Familien- und systemische Therapie darum bemüht, Perspektivenwechsel vorzunehmen, so dass die Betroffenen selber ihre Perspektive und damit ihre Axiome wechseln können. Ein Mittel dazu sind die Skulpturen, die eine andere, eine sinnliche Ebene in die Sichtweisen auf die Familie ermöglichen sollen. Indem andere Sinneskanäle bedient werden, stellen sich auch neue Sichtweisen her, und zwar durch die Betroffenen selbst, die nun sehen, wie wer mit wem zusammenhängt.

s.a. Inneres Team

Überblicksliteratur

Arist von Schlippe/Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung

Familientherapie – systemische Therapie

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