Im aktuellen Artikel „Positive Psychologie und Glück“ unserer Artikelreihe „Positive Psychologie“ bei Netzwerk Stress & Trauma möchten wir Euch gerne eine kleine Einführung senden – denn wie oft wünschen wir uns für’s neue Jahr Glück.
Als ich 17 oder 18 Jahre alt war, gab mir mein Philosophie-Lehrer einen Artikel eines zeitgenössischen deutschen Philosophen. Eine Passage daraus hat mich mein Leben lang begleitet. Ich weiß zwar nicht mehr den Namen des Autors noch den Namen des Artikels, noch die Zeitschrift, aus der der Artikel stammte, aber ich weiß noch die wesentliche Schlussfolgerung:
Das Glück begegnet uns wie Inseln im Ozean.
Da die Fläche der Meere größer ist als die der Inseln darin, konnte man schlussfolgern: Das Glück ist ein seltenes Ereignis, ein seltener Gast in unserem Leben.
Persönliche Botschaft über das Glück
Für mich war die wesentliche Botschaft: Halte nach diesen Inseln Ausschau, es gibt sie, du musst sie nur finden bzw. dich finden lassen. Insgesamt bin ich damit gut gefahren; denn trotz der vielen belastenden Einschläge, möchte ich mein Leben als glücklich bezeichnen. Daran können auch die nächsten Jahre nicht mehr viel ändern, an der Gesamtbilanz, meine ich, weil mein Leben ja schon so weit fortgeschritten ist.
Wahrscheinlich entsteht hier die Frage: Wie können wir das Glück finden oder uns von ihm finden lassen? Das heißt zum Beispiel die Augen offen zu halten für solche Möglichkeiten, sie nicht zu übersehen, sie also erst einmal für möglich zu halten. Das ist die erste Voraussetzung.
Was ist eigentlich Glück?
Was meinen wir eigentlich, wenn wir allgemein und in der Positiven Psychologie von Glück sprechen? Es ist ein schillernder Begriff mit unterschiedlichen Bedeutungen:
- „Da hast du aber Glück gehabt“, sagen wir, wenn jemand einen Unfall schadlos überstanden hat, während das Auto Totalschaden hat. Wir meinen also, er ist dem Unglück entronnen. Dieselbe Bedeutung aktivieren wir, wenn jemand einen Lottogewinn gemacht hat. Hier ist es so, als ob das Glück von außen käme und uns etwas geben würde, als wäre Glück ein Teil des Lebens, an dem wir gerade Anteil hatten.
- Mit der Aussage „Ich habe Glück im Leben“, meinen wir meist eine bestimmte Qualität, die wir mit Glücklichsein umschreiben können. Dabei handelt es sich um einen inneren Zustand, der mehr ist als Wohlbefinden, auch mehr als Freude und Genuss, obwohl die auch dazu gehören können. Diese Glücksgefühle können unterschiedliche Ursprünge haben, gehen aber mit einem tiefen momentanen Gefühl der Stimmigkeit einher, das nicht von langer Dauer sein muss, das aber Erinnerungsspuren in uns hinterlässt, auf die wir immer wieder zurückgreifen können (siehe dazu „Was gibt uns Sinn?“, Teil 4 der Artikelreihe ).
- So ist Glück in der Regel mehr als die Abwesenheit von Unglück, obwohl das dazu zu gehören scheint. Allerdings können sich Phasen von Unglück mit denen von Glück abwechseln und nach einer Phase des Unglücks sind die Glücksgefühle oft ein Stück tiefer gehend. Wenn beispielsweise ein wichtiger Menschen plötzlich und unerklärlich verschwunden ist, wir uns Sorgen machen und dieser ist plötzlich wieder da, dann empfinden wir oft dieses tiefe Glücksgefühl.
Dabei ist es durchaus und interessant, dieses Zitat sich zu vergegenwärtigen:
Man spürt selten, was Glück ist,
aber man weiß meistens, was Glück war.
Françoise Sagan
„Glück“ in der Forschung
In der Forschung taucht Glück in verschiedenen Zusammenhängen auf: In Verbindung mit Reichtum bzw. ausreichenden finanziellen Ressourcen, mit Beziehung und Bindung, mit Werten und mit spirituellen Erfahrungen.
- In einer Show mit Eckhart von Hirschhausen kann ich mich an folgendes Detail erinnern: Er hat jemandem im Publikum € 10 geschenkt. Der schien glücklich zu sein darüber. Dann hat er jemand anderem € 50 geschenkt. War dann der, dem er die 10 € gegeben hat, immer noch glücklich? Eine interessante Frage, jedenfalls war dessen Glück getrübt, weil er sich mit der anderen Person verglichen hat.
Die Schlussfolgerung: Wer sich vergleicht kann leicht die Glücksmomente verlieren. - Wir sagen: „Geld allein macht nicht glücklich“. Das stimmt. Die Glücksforschung hat herausgefunden, dass Glücksgefühle infolge von Geld oder Geldgewinnen von kurzer Dauer zu sein scheinen und dass der Höhepunkt im Glücklichsein über Geld in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in unserer Gesellschaft überschritten war. Wenn wir aber täglich prüfen müssen, ob wir noch genügend Geld haben, um uns zu ernähren, haben wir keine Zeit keine Kapazität für Glücksgefühle, weil wir ums tägliche Überleben kämpfen. Doch wer weiß, vielleicht erleben auch diese Menschen immer wieder Momente des Glücklichseins. Ich habe zu viele reiche Menschen erlebt, die unglücklich waren, die es nicht schätzen konnten, dass sie sich nicht um ihre finanzielle Unabhängigkeit sorgen mussten, die sich ständig von anderen ausgenutzt fühlten, so dass sie keine bedingungslose Zuwendung geben oder annehmen konnten. Wenn wir unser Auskommen haben, verblasst die Wirksamkeit von Reichtum für unsere Glücksgefühle.
- Beziehung und Bindung scheinen zu den wichtigsten Voraussetzungen für Glücksgefühle zu gehören. So ist die bedingungslose Zuwendung anderen gegenüber und von anderen mir gegenüber ein zentraler Baustein und Bedingung von Glücklichsein.
Wenn ich mich geborgen fühle, im Einklang mit mir und den anderen nahestehenden Menschen bin, dann habe ich damit die Voraussetzung geschaffen für Glücklichsein. Das können Beziehungspartner sein, das können Kinder sein, aber auch Schüler und Freunde, mit denen so etwas lebbar ist. In einer Partnerschaft ist Sexualität nur ein möglicher Quell dafür. In solchen Beziehungen ist auch Sexualität eingebettet in die Gesamtbeziehung, Teil davon und kein isoliertes Ereignis. Stärkend für jede Beziehung ist Dankbarkeit: Wenn wir diese teilen, dann entsteht häufig ein kleiner Glücksmoment, und zwar häufig ein geteilter. - Wenn mir gelingt, ein Leben nach meinen Werten zu leben, kann das ein Quell für mein Glücklichsein sein im Sinne von: Ich habe es geschafft, dass ich mir treu geblieben bin und bin darüber glücklich; denn viele Menschen lassen sich, wenn auch aus verständlichen Gründen, korrumpieren.
Hierher gehört auch die Auswirkung von Erfolg: Ich habe es mit meinen Mitteln geschafft, eine Tätigkeit erfolgreich abzuschließen, ein Projekt vielleicht, das mit viele Schwierigkeiten verursacht hat z.B. Oder ich habe es geschafft, ein erfolgreiches Leben zu leben, nach meinen Maßstäben und vielleicht auch nach denen von mir nahestehenden Menschen. - Spirituelle Erfahrungen sind schwer zu beschreiben. Am ehesten können wir sagen, dass wir uns eins fühlen mit anderen Geschöpfen, mit Gott vielleicht oder mit der ganzen Welt, dem Universum. Dieses sich eins zu fühlen und zugleich als Teil eines großen Ganzen wie der einer Religion oder spirituellen Richtung oder eben mit allen Menschen dieser Erde ob tot oder lebendig. Das sind spirituelle Erfahrungen, die ein tief empfundenes Gefühl von Glück hinterlassen können.
Die psychologische und systemische Sichtweise
Psychologisch kann man sagen, dass wir häufig Ansätze von Glücklichsein unterlaufen, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf negative Aspekte richten oder keinen Raum dafür schaffen, uns selbst wahrzunehmen, achtsam mit uns zu sein. Die negativen Aspekte gehören selbstverständlich zum Leben dazu. Je stärker wir auf diese fokussieren, umso mehr vermeiden wir die Möglichkeit zum Glücklichsein.
Systemisch gesprochen: Wir verengen den Möglichkeitsraum auf Belastungen und können dann mit Hilfe der „Anleitung zum Unglücklichsein“ dafür sorgen, dass das Glück an meiner Tür lieber vorbeigeht. (s. Watzlawick zu diesem Thema in unserer Artikelreihe „Wie mache ich mir das Leben schwer?„)
Eine präzise Beschreibung ist das nicht. Im besten Fall eine Annäherung. Nicht nur Psychologen haben sich Gedanken zum Glück gemacht, auch viele Neurobiologen, Philosophen und Soziologen haben das getan. Darauf werde ich in weiteren Artikeln eingehen.
Literatur:
Watzlawick, Paul, Anleitung zum Unglücklichsein, München 1983 (Piper)
Uwe Hartmann, Udo Schneider und Hinderk M. Emrich, Auf der Jagd nach dem Glück, in: Zeitschrift „Gehirn und Geist“, 04/2002, S. 10-15, Verlag Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg